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News. Bild: Gerd Altmann. Lizenz: CC0

Mögliche Behandlung der Charcot-Marie-Tooth (CMT) Erkrankung entdeckt

Die Charcot-Marie-Tooth (CMT) Erkrankung ist die häufigste erbliche Erkrankung des peripheren Nervensystems und betrifft über 2 Millionen Menschen weltweit. Mit einer Häufigkeit von 1:2.500 gilt die Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung als „seltene Erkrankung“. In Deutschland sind mindestens 30.000 Menschen betroffen. In enger Zusammenarbeit auf dem Göttingen Campus könnten Forscher des Max-Planck-Instituts für Experimentelle Medizin (MPI-EM) Göttingen und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) einen Weg gefunden haben, mit Lecithin, einem harmlosen Nahrungsergänzungsmittel, die bisher unheilbare Krankheit zu behandeln. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.


Aufgrund eines Gendefektes, der Verdopplung des Gens für PMP22, entwickeln Patienten mit einer Charcot-Marie-Tooth Erkrankung eine langsam fortschreitende Nervenschädigung (CMT1A). Die ersten Symptome wie Gehschwierigkeiten oder Fußdeformitäten können bereits im Kindesalter auftreten. Später kommt es zu Sensibilitätsstörungen wie Taubheit, Kribbeln und Schmerzen und es schwindet zunehmend die Kraft in Beinen und Armen. In seltenen Fällen sind Patienten an den Rollstuhl gefesselt. Bisher ist die CMT-Erkrankung nicht heilbar, da die grundlegenden Erkrankungsmechanismen unbekannt sind.

Die Fortsätze von Nervenzellen im peripheren Nervensystem, die Axone, sind über ihre gesamte Länge von Stützzellen umgeben. Diese sogenannten Schwannzellen umhüllen die Axone mit einer isolierenden fettreichen Schicht, dem Myelin, welches eine schnelle Weiterleitung elektrischer Impulse ermöglicht. Mit Hilfe von genetisch veränderten Ratten haben Forscher des Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und der Universitätsmedizin Göttingen in Zusammenarbeit mit Neurowissenschaftlern aus Leipzig, Würzburg, Heidelberg und Aachen entdeckt, dass erkrankte Schwannzellen während der Entwicklung wegen eines gestörten Fettstoffwechsels nicht ausreichend Myelin bilden können. „Die Myelinproduktion ist für die Schwannzellen sehr aufwendig. Bei einer Störung wie der Charcot-Marie-Tooth Erkrankung bleiben viele Nervenfasern ohne Myelin, und sind damit in ihrer Funktion beeinträchtigt.“ erklärt der Erstautor der Studie, Dr. rer. nat. Robert Fledrich, Institut für Anatomie der Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin.

Schwannzellen nutzen Phospholipide für Myelinbildung
Mit Lecithin ließe sich womöglich die beeinträchtigte Fettproduktion der Schwannzellen umgehen und damit die Myelinisierung bei der Erkrankung verbessern, denn es ist ein Hauptbestandteil des Myelins. Das Fettmolekül ist ein aus Soja oder Eigelb gewonnener Mix aus sogenannten Phospholipiden, ein harmloses Nahrungsergänzungsmittel. In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Netzwerkverbundes „CMT-NET“ geförderten Studie konnten die Wissenschaftler zunächst in Zellkulturexperimenten sowie in genetisch veränderten Ratten zeigen, dass Phospholipide von Schwannzellen aufgenommen und für die Myelinproduktion genutzt werden können.

Durch mehrere Therapiestudien von erkrankten Ratten mit Lecithin in unterschiedlichen Dosen und Behandlungszeiträumen haben die Forscher nicht nur herausgefunden, dass eine Phospholipid-Therapie die Myelinisierung fördert. „Sie lindert auch maßgeblich den Krankheitsverlauf, und zwar unabhängig vom Behandlungsbeginn“, sagt Dr. Ruth Stassart, Oberärztin der Abteilung Neuropathologie der Universität Leipzig, Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, und Co-Leiterin der Studie. „Die vielversprechenden Daten aus den Tierversuchen und insbesondere die bereits erwiesene gute Verträglichkeit in Menschen prädestinieren Lecithin als Therapeutikum für die CMT-Erkrankung und möglicherweise auch andere demyelinisierende Erkrankungen“, ergänzt Prof. Dr. Michael Sereda, Oberarzt an der Klinik für Klinische Neurophysiologie der UMG, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut und Co-Letztautor der Studie. Die beteiligten Neurowissenschaftler arbeiten nun daran, die neu gewonnenen Erkenntnisse für Patienten im Rahmen von klinischen Studien nutzbar zu machen.

Originalveröffentlichung:
„Targeting myelin lipid metabolism as a potential therapeutic strategy in a model of CMT1A neuropathy“, R. Fledrich, T. Abdelaal, L. Rasch, V. Bansal, V. Schütza, B. Brügger, C. Lüchtenborg, T. Prukop, J. Stenzel, R.U. Rahman, D. Hermes, D. Ewers, W. Möbius, T. Ruhwedel, I. Katona, J. Weis, D. Klein, R. Martini, W. Brück, W.C. Müller, S. Bonn, I. Bechmann, K.A. Nave, R.M. Stassart & M.W. Sereda; Nature Communications; 2. August 2018 (DOI: 10.1038/s41467-018-05420-0)

Unter www.CMT-NET.de können sich Patienten, Wissenschaftler und Ärzte über die Fortschritte bei der Erforschung dieser in Deutschland wenig bekannten Erkrankung informieren.

(Universitätsmedizin Göttingen – Georg-August-, Presseinformation Nr. 086 vom 09. August 2018)

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