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Bild von DNS-Strängen als unfertiges Puzzle

LUTO: Forscher finden Gen für Harnröhrenverengung

Bereits vor der Geburt kann es durch eine verengte Harnröhre zu verschiedenen Problemen beim ungeborenen Kind kommen, von recht milden Beschwerden beim Wasserlassen bis hin zum Nierenversagen. Diese sehr unterschiedlich ausgeprägte Erkrankung wird LUTO (lower urinary tract obstruction) genannt. Vor allem Jungen sind betroffen. Ein internationales Forscherteam hat unter Federführung der Universität Bonn das erste Gen entdeckt, das an der seltenen Erkrankung beteiligt ist.

Vvorgeburtliche Nieren- und Lungenschädigung möglich

„Der durch die Verengung der Harnröhre ausgelöste Harnstau kann im schlimmsten Fall vorgeburtlich zu einer Nieren- und Lungenschädigung führen“, sagt Dr. Alina Hilger vom Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn (UKB). Der Harnstau führt dazu, dass zu wenig Fruchtwasser vorliegt – die Flüssigkeit ist aber erforderlich, damit sich die Lunge in der Fruchtblase richtig ausbildet. Hilger: „Mit einem chirurgischen Eingriff noch im Mutterleib kann der Fötus aber gerettet werden.“ Dieser komplizierte und selten durchgeführte Eingriff wird von Prof. Christoph Berg in der Universitätsfrauenklinik Bonn durchgeführt.

LUTO tritt vergleichsweise selten auf, nur in etwa drei von 10.000 Schwangerschaften. Die wenigen Fälle zeigen aber eine gelegentliche familiäre Häufung und scheinen daher vererblich zu sein. Bislang war aber noch kein Gen bekannt, dass ursächlich mit der Erkrankung und deren Vererbung in Zusammenhang gebracht wurde. Ein internationales Forscherteam aus Deutschland, den Niederlanden, England, den USA und Polen hat nun unter der Federführung von Kinderärzten, Anatomen und Humangenetikern des Universitätsklinikums Bonn nach den genetischen Grundlagen der Erkrankung gefahndet.

Unterschiedliche Varianten des BNC2-Gens

Die Wissenschaftler verglichen das Erbgut von vier Patienten, die über drei Generationen hinweg in unterschiedlicher Ausprägung an LUTO erkrankt waren, mit dem von gesunden Menschen. Dabei ergaben sich Hinweise auf Mutationen des Gens „BNC2“. Daraufhin weiteten die Forscher die Untersuchung um 697 LUTO-Patienten aus und förderten bei diesen drei weitere Varianten des BNC2-Gens zutage. BNC2 kodiert das Protein „Basonuclin 2“, das vermutlich im Zellkern an der Verarbeitung von bestimmten RNAs beteiligt ist. „Wo die gefundenen Mutationen genau in einen biologischen Mechanismus eingreifen, der letztlich zu einer angeborenen Verengung der Harnröhre führt, ist aber weiterhin unbekannt“, sagt Erstautorin Caroline Kolvenbach vom UKB.

Neue Perspektiven für die genetische Beratung

Damit hat das Wissenschaftlerteam das erste Gen entdeckt, das mit LUTO in Zusammenhang steht. „Wir haben damit gleichzeitig bewiesen, dass LUTO genetisch bedingt ist“, sagt Dr. Alina Hilger. „Dies eröffnet auch neue Perspektiven für die genetische Beratung betroffener Eltern.“ Da viele Kinder mit LUTO eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion haben, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass nicht nur der Harnaufstau, sondern auch der genetische Defekt an sich die Funktion der Nieren beeinträchtigt. Durch die Erkenntnis der genetischen Ursachen erhoffen sich die Wissenschaftler langfristig, hier einen Ansatz für eine ursächliche Therapie für die Nierenfunktionsstörung bei LUTO-Kindern zu finden.


Originalpublikation:

Rare Variants in BNC2 are Implicated in Autosomal Dominant Congenital Lower Urinary Tract Obstruction, The American Journal of Human Genetics, DOI: 10.1016/j.ajhg.2019.03.023

(pi Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 02.05.2019)

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