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Seltene Krankheiten: Mitteleuropa kooperiert

Patienten, Ärzte und Forschung profitieren von Zusammenarbeit

Salzburg (pte) – Bei Diagnose und Behandlung von Krankheiten mit geringer Fallzahl wollen sechs Länder Mitteleuropas künftig kooperieren. Das betonen Gesundheitsexperten aus Deutschland, Italien, Österreich, Slowenien, Tschechien und Ungarn heute, Dienstag, bei einem informellen Treffen in Salzburg, das als Folgetreffen zum Ministertreffen dieser Länder im Vorjahr gedacht war. In einem Positionspapier, das den Gesundheitsbehörden vorgelegt wird, schlagen die Experten die Gründung von nationalen Kompetenzzentren vor, die in Folge vernetzt werden sollen. Dadurch sollen Patienten künftig bessere Behandlung erhalten, die Medizin kann mangelnde Erfahrung der Ärzte mit seltenen Krankheiten kompensieren und die Erforschung dieser oft kaum beachteten Krankheiten erhält bessere Chancen für Förderungen.

Als „selten“ definiert die EU Krankheiten, die bei 10.000 Einwohnern höchstens fünfmal vorkommen. Da ihre Palette sehr groß ist, sind jedoch insgesamt viele Menschen davon betroffen, erklärt Till Voigtländer, Neurobiologe am Allgemeinen Krankenhaus Wien und Leiter des Expertengremiums, das für den nationalen Aktionsplan in Österreich zuständig ist, gegenüber pressetext. „Schätzungsweise gibt es bis zu 8.000 solcher Krankheiten. Drei Viertel davon sind genetisch bedingt, wovon wiederum acht von zehn der Leiden schon im Kindesalter auftreten. Die restlichen haben ganz unterschiedliche Ursachen, wobei es sich oft um Autoimmun-Störungen oder um seltene Krebsarten handelt.“

Eine seltene Erkrankung stellt sowohl die betroffenen Patienten als auch ihre Hausärzte vor hohe Herausforderungen. „Die Erkrankten haben gemeinsam, dass sie meist einen langen Weg von durchschnittlich drei bis vier Jahren bis zur richtigen Diagnose zurücklegen. Eltern bemerken bei den Kindern etwa, dass etwas nicht stimmt. Da die Ursache jedoch nicht festgestellt werden kann, bleibt der Diagnoseprozess oft stecken und Zeitfenster werden verpasst, in denen eine Behandlung noch leichter möglich ist“, so Voigtländer. Bedrückend sei auch, jahrelang davon verunsichert zu sein, dass niemand das eigene Leiden benennen könne. Die Ärzte wiederum seien bei seltenen Erkrankungen häufig überfordert. „Man kann auch als Arzt nicht alle 8.000 Krankheiten kennen und es ist oft schwierig, an den richtigen Spezialisten zu verweisen.“

Da es bisher viel vereinzeltes Fachwissen und wenige klare Strukturen gebe, könne die Änderung der Rahmenbedingungen am besten Abhilfe schaffen, schätzt Voigtländer. „Größere Länder haben durch mehr Fallzahlen und Kliniken ein theoretisch größeres Spektrum an Diagnose- und Behandlungserfahrung für diese Krankheiten. Allerdings fehlt es auch in Deutschland noch an klaren Strukturen.“ Österreich sei Vorreiter in der Bildung eines Expertenkomitees, das in den nächsten Jahren Definitionen für Fach- und Expertenzentren für seltene Krankheiten ausarbeiten soll. „Es geht darum, transparente Kriterien für öffentliche Ausschreibungen zu schaffen, für die sich einzelne Kliniken und Institute bewerben können.“ Im Vorzeigeland Frankreich, das in diesem Bereich von seiner zentralen Struktur im Gesundheitswesen profitieren konnte, seien so in jährlich vier Ausschreibungen bereits 136 derartige Kompetenzzentren entstanden.

Gelinge es, eine solche Grundstruktur in mehreren Ländern zu schaffen, seien weitere Schritte über nationale Grenzen hinaus einfach. „Folglich steht die Schaffung kleiner nationaler Koordinationsstellen an, die untereinander vernetzt werden können“, so Voigtländer. Profitieren soll vom Zusammentragen der Ressourcen einerseits Patienten, die auch die Leistung in ausländischen Kompetenzzentren in Anspruch nehmen können, und Ärzte, die Hilfe in ihrer Ratlosigkeit bekommen. Andererseits nutze es der Grundlagenforschung, da sich die Patienten- und Diagnosezahl erhöht, sowie der klinisch-angewandten Forschung, da auch Therapieerfahrungen gebündelt werden. „Die Kooperation kommt besonders mittelgroßen und kleinen Länder zugute, die alleine nie genug Ressourcen aufbringen könnten“, so der Leiter der Expertenkommission.

(Aussender: pressetext.austria, Redakteur: Johannes Pernsteiner)

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