Du bist nicht alleine...

Seltene Erkrankung – Was sollte ich jetzt tun?

Du hast eine Seltene Erkrankung, stehst im Verdacht eine zu haben oder bist trotz auffälliger Symptomatik schon lange ohne eine Diagnose? Dann hast du es nicht einfach im Leben. Wahrscheinlich bist du von einer Reihe der Punkte betroffen, die wir unter →“Seltene Erkrankung – Was bedeutet das für den Alltag?“ aufgezählt haben.

Hoch belastet?

Möglicherweise bist du hoch belastet und weißt keinen Ausweg mehr für dich. Im schlimmsten Fall hat die Erkrankung bereits alles zerstört, was dir wichtig war… deine Arbeitsfähigkeit, deine Familie, deinen Freundeskreis, dein Vertrauen in die Ärzteschaft sowie auch dein Selbstvertrauen und jegliche Selbstsicherheit.

Du bist nicht nicht alleine!

Auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt: Du bist nicht alleine. Wir sind sehr viele… mehr als es Alkoholiker in Deutschland gibt.

Egal, welche Erkrankung du hast, in jedem Fall hast du jetzt die gleichen Probleme, wie mehr als 4 Millionen andere Menschen in Deutschland. Es kann dir helfen, das zu wissen und zu verstehen. Es macht dich weniger einsam und hilfos, wenn du weißt, dass du dich vor verschiedenen Hintergründen auch krankheitsübergreifend austauschen kannst. Hinsichtlich des Umgangs mit Ärzten, der Suche nach Ansprechpartnern, der Beantragung von Schwerbehinderung und Pflegegraden und auch in Bezug auf viele weitere Zusammenhänge sind wir unabhängig von unserer jeweiligen Erkrankung alle gleichermaßen betroffen.

Im Folgenden erzählen wir dir unter anderem, worauf du achten solltest,

  • wenn du eine häufigere oder gut erforschte Seltene Erkrankung hast,
  • wenn du eine weniger bekannte oder weniger erforschte Seltene Erkrankung hast oder
  • wenn du eine Odyssee durchmachst, weil es noch keine Diagnose gibt.

Leitfaden für alle Betroffenen

1. Gut informieren

Wer „Dr. Google“ bemüht, gelangt oft auf Webseiten, die wenig hilfreich sind oder sogar falsche und/oder gefährliche Informationen verbreiten. Für uns, die wir mit einer seltenen Erkrankung behaftet sind, ist „Dr. Google“ dennoch ein Freund. Nur, wenn wir danach suchen, bekommen wir Informationen, die uns helfen können. Dabei ist es allerdings wichtig, genau zu schauen, wer uns die Informationen gibt.

Darauf musst du achten:
Lese das Impressum der Website und schaue dir die Seite genau an. Wer steckt hinter der Information? Will man dir etwas verkaufen, z.B. Nahrungsergänzungsmittel? Ist die Website mit Werbung überfrachtet? Will man sich über Werbung auf der Seite bereichern? Steckt ein Pharma-Konzern mit seinen eigenen Interessen dahinter? Werden Informationen mit nachvollziehbaren Quellenangaben versehen?

Gute Adressen
Websites von Dachverbänden, Selbsthilfeorganisationen und ärztlichen Berufsverbänden sind zumeist gute Adressen. Auch auf Websites, die über Studien berichten, die in Fachjournalen veröffentlicht wurden, wie z.B. PubMed (engl), können wir vielfach gute Informationen finden, die auch von Ärztinnen und Ärzten anerkannt werden.

2. Info-Mappe zusammenstellen

Sammle gute Informationen und füge deiner Sammlung auch Aussagen (z.B. von Ärzten) hinzu, die dir wichtig erscheinen. Ergänze deine Sammlung beständig, sortiere überholte Informationen aus und füge neue hinzu. Nehme deine Info-Mappe mit zu neuen Ärzten und informiere deine behandelnden Ärzte über wichtige neue Erkenntnisse, wenn es welche gibt. Füge deiner Mappe auch die ärztlichen Untersuchungsergebnisse hinzu.

3. Die richtigen Ärzte finden

Wir „Seltenen“ können und dürfen nicht erwarten, dass der durchschnittliche Haus- oder Facharzt sich mit unserer Erkrankung auskennt. Kein Mensch kann schließlich alles wissen. Was wir jedoch von unseren Ärztinnen und Ärzten erwarten sollten, ist die Bereitschaft, sich ggf. schlau zu machen und auch von uns kommende Informationen zu berücksichtigen. Letzteres gilt umso mehr, je länger wir bereits mit unserer Erkrankung leben, denn nach und nach wird nahezu jeder von uns zu einem Spezialisten in eigener Sache.

Es gibt allerdings Ärzte, die keine informierten Patienten mögen. Die Gruppe dieser Ärzte hat unserer Erfahrung nach eine große Schnittmenge mit den Ärzten, die Angst davor haben, als „unwissend“ wahrgenommen zu werden. Wer Unwissenheit vertuschen möchte, verstrickt sich oft in unhaltbare Aussagen. Das gilt für alle Menschen in allen Lebensbereichen, so auch für Mediziner. Fehlbehandlungen sind dann keine Seltenheit.

Nur wenige Betroffene können der „Arztsprache“ problemlos folgen und noch weniger verstehen die ganzen medizinischen Hintergründe. Viele Menschen haben demgegenüber aber ein sehr gutes Gespür dafür, ob ihr Gegenüber aufrichtig ist. Wenn dein Bauchgefühl dir sagt, dass da irgendetwas nicht in Ordnung ist oder du dich anderweitig unwohl mit deinem behandelnden Arzt/ deiner behandelnden Ärztin fühlst, dann wechsle ggf. die Arztpraxis.

Habe diesbezüglich keine Hemmungen. Bedenke: Es geht zu jedem Zeitpunkt um deine Lebensqualität und nicht um die persönliche Zufriedenheit deiner behandelnden Ärzte!

4. Ruhe und Gelassenheit

Leichthin wird oft gesagt: „Jeder hat sein Päckchen zu tragen.“ Das ist sicherlich in vielen Fällen richtig. Dann aber, wenn man weiß, dass man sein Päckchen – in unserem Fall die seltene Erkrankung – nicht wieder ablegen können wird, dann wird das Päckchen zum Paket und mitunter zu einer sehr schweren Last.

Es mag sein, dass deine Erkrankung dir körperliche Schmerzen bereitet und dass du stark durch die Krankheit eingeschränkt wirst. Trotz allem gilt: Aufregung und Verzweiflung helfen dir nicht weiter. Im Gegenteil, das macht alles nur noch schlimmer. Wenn du stark belastet bist, hole dir ggf, Unterstützung bei einem Psychologen.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
(sog. Gelassenheitsgebet)

5. Familie und Freunde aufbauen

Es kann sein, dass die Menschen, die dich lieben, noch viel stärker belastet sind, als du selbst. Jeder von ihnen wird beständig gefragt, wie es dir geht. Niemand fragt, wie es ihnen damit geht. Es kann sein, dass sie sich sehr einsam fühlen. Vergiss sie nicht.

Zusätzlich für Menschen mit häufigeren oder gut erforschten Seltenen Erkrankungen

Es gibt seltene Erkrankungen, die mehr Aufmerksamkeit erfahren als andere. Manchmal liegt es daran, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die zwar per Definition noch zu den Seltenen gezählt wird, die aber denn doch schon recht viele Menschen betrifft. In anderen Fällen wurde vielleicht auch eine Stiftung gegründet, die über Charity-Veranstaltungen und anderes erfolgreich Geld für die Forschung und die Bekanntmachung einer Erkrankung einsammelt. In beiden Fällen kann man davon sprechen, dass eine größere Interessengruppe sich für diese Erkrankungen einsetzt.

6. Selbsthilfegruppen und Dachverbände

Wer von diesen Erkrankungen betroffen ist, wird via Google-Suche recht schnell Selbsthilfegruppen und/oder einen Dachverband finden können. Oft gibt es dann auch Internetforen, die sich ausschließlich mit dieser Erkrankung befassen.

Gebe doch einfach mal den Namen deiner Erkrankung und zusätzlich das Wort „Forum“ oder das Wort „Selbsthilfe“ in die Google-Suche ein. Es kann sein, dass du so schneller auf andere Betroffene stößt, als du gedacht hättest.

Scheue dich nicht, die jeweilige Gruppierung anzusprechen, wenn du Fragen hat.

7. Social Media

Suche auch bei den Social Media, z.B. bei Facebook nach deiner Krankheit. Auch dort gibt es viele Betroffenen-Gruppen.

Zusätzlich für Menschen mit weniger bekannten oder weniger erforschten Seltene Erkrankungen

8. Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE)

Wenn es keine Behandlungsstandards für deine Erkrankung gibt, weil sie beispielsweise noch wenig erforscht ist, können deine Ärzte sich an ein ZSE wenden. Informiere dich gerne in unserer →Liste, welches ZSE ggf. für deine Erkrankung in Frage kommt.

9. Orpha-Selbsthilfe Forum

Wenn du via Google-Suche keine Selbsthilfegruppe und keinen Dachverband für deine Erkrankung findest, melde dich gerne bei uns im →Forum an. Du bist bei uns willkommen. Mit etwas Glück findest du bei uns weitere Betroffene. Wenn wir eine Selbsthilfegruppe für deine Erkrankung kennen, werden wir dich darauf aufmerksam machen.

Zusätzliche Tipps für Menschen ohne Diagnose

Auch Menschen ohne Diagnose sind bei uns im →Forum willkommen. 🙂

10. Eigenanamnese

Wenn du noch keine Diagnose hast, führe auf jeden Fall Buch über deine Symptome. Notiere auch Angaben zu Folgendem:

  • Ist dem ersten Auftreten deiner Symptome etwas vorausgegangen? Hast du z.B. im Vorfeld eine Infektionskrankheit gehabt? Wurdest du kurz zuvor mit Arzneimitteln behandelt, z.B. mit Antibiotika? Zeckenbisse? Sonstiges?
  • Verändern sich die Symptome in Abhängigkeit von der Ernährung? Führe ggf. ein Ernährungstagebuch.
  • Gibt oder gab es Verwandte, die ähnliches haben oder hatten?
  • Verändern sich die Symptome in Abhängigkeit von Uhrzeit oder verrichteten Tätigkeiten?

11. Ärztliche Befunde

Lasse dir alle ärztlichen Untersuchung- und Laborergebnisse, radiologische Befunde und auch Operationsberichte aushändigen. Mache Kopien davon und halte die kopierten Unterlagen für neue Ärzte bereit. Es macht vieles einfacher, wenn du von Anfang an alles beisammen hast. Diese Informationen zu späterem Zeitpunkt von allen vorbehandelnden Stellen zu bekommen, ist oftmals kompliziert und kostet auch viel Zeit.

12. Zentrum für Menschen mit seltenen Erkrankungen ohne Diagnose

Wenn du keine Diagnose hast, aber vieles dafür spricht, dass es sich bei dir um eine seltene Erkrankung handeln könnte, können sich deine Ärzte oder auch du selbst an ein ZSE wenden. Informiere dich gerne in unserer →Liste, welches ZSE auch für Betroffene ohne Diagnose in Frage kommt.


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