Wenn Medikamente nicht mehr helfen
Parkinson: Erste erfolgreiche Tiefe Hirnstimulation in Bonn
Bonn (ukb) – Die Medikamente gegen Parkinson halfen Magdalena B. trotz immer höherer Dosis nicht mehr. Unwillkürliches Muskelzittern wechselte mit völliger Starre. Doch nur durch Zufall erfuhr die 71-Jährige, dass die Tiefe Hirnstimulation ihr eine neue Chance eröffnet. Dabei blockieren schwache elektrische Impulse diejenigen Areale, die für die typischen Symptome der Parkinson Krankheit verantwortlich sind. Neurochirurgen am Universitätsklinikum Bonn führten dieses Verfahren bei Parkinson nun auch innerhalb der Bonner Region ein.
Die Diagnose Morbus Parkinson traf Magdalena B. vor acht Jahren. Ein Mangel an dem Botenstoff Dopamin störte die Nachrichtenübermittlung in den Hirnregionen, die Bewegungen planen und steuern. „Das Orchester in ihrem Gehirn – zuständig für Bewegung – kam aus dem Takt und gab unkontrollierte Salven ab“, sagt Professor Dr. Volker Arnd Coenen, Leiter des Schwerpunkts Stereotaxie an der Bonner Universitätsklinik für Neurochirurgie. Zunächst half ihr die medikamentöse Behandlung mit L-Dopa – eine Vorstufe von Dopamin. Doch nach Jahren wirkte das Medikament trotz immer höherer Dosis nicht mehr. Phasen mit spontanen, überschießenden Bewegungen wechselten sich mit Phasen einer schmerzhaften Starre ab. „Ich hatte jegliche Kontrolle über Arme und Beine verloren. Es ging einfach nichts mehr“, sagt Magdalena B..
Etwa jeder fünfte bis zehnte Parkinson-Patient leidet wie Magdalena B. unter dem so genannten L-Dopa-Spätsyndrom. Im Gegensatz zur anfänglichen Symptomfreiheit durch das Medikament wird in diesen Fällen eine medikamentöse Therapie nach einigen Jahren immer schwieriger. „Der Abstand zwischen der nötigen Dosis und derjenigen, die die Phasen einer Überbeweglichkeit bewirken, verschwindet völlig. Das therapeutische Fenster ist sozusagen komplett eingeengt“, erklärt Professor Coenen.
„Ich wusste nichts von einer Operation – woher auch“
Eine Selbsthilfegruppe brachte endlich für Magdalena B. die Wendung. Ein Leidensgefährte berichtete von seinem beschwerdefreien Leben dank Tiefer Hirnstimulation und seiner dadurch zurück gewonnenen Lebensqualität. Eine geringe Menge Strom kontrolliert bei ihm das ständige Zittern, spontane Bewegungen und die Starrheit. Denn tief in seinem Gehirn senden Elektroden Signale, die fehlgeleitete Aktivitäten blockieren. „Die elektrischen Impulse zwingen dem Orchester quasi einen neuen Dirigenten auf, der für Ruhe und Ordnung sorgt“, umschreibt Professor Coenen das Phänomen.
Neben der Unterdrückung der motorischen Symptome lässt sich mit der tiefen Hirnstimulation oft auch die L-Dopa-Dosis drastisch senken. „Doch wie unsere Patientin kennen auch viele Ärzte diese Option nicht. Allein in Nordrhein-Westfalen könnten schätzungsweise zwischen 3.000 bis 6.000 Parkinson-Patienten von einer Tiefen Hirnstimulation profitieren“, sagt Professor Coenen. Er rät den Betroffenen, die medikamentös bereits austherapiert sind, ihren Neurologen um Rat zu fragen. Nach Überweisung an ein Neurozentrum prüft dann ein Team aus Neurochirurgen und Neurologen, ob sich die Tiefe Hirnstimulation für den Betroffenen eignet. Es wägt sorgfältig Nutzen und Risiko des komplikationsarmen Eingriffs ab, der von den Krankenkassen bezahlt wird.
„Ich würde die Operation immer wieder machen lassen.“
Patient und Arzt sind ein Team: Im Vorfeld plante Professor Coenen dank modernster Methoden präzise den späteren Weg der Elektroden, damit kein intaktes Gewebe zerstört wird. Über ein kleines Loch in die Schädeldecke drang er dann vorsichtig in die Tiefe des Gehirns seiner Patientin vor. Ohne intaktes Gewebe zu schädigen, implantierte der Bonner Neurochirurg punktgenau feine Elektroden in die fehlgesteuerte Region. Bei dieser Prozedur, die etwa vier Stunden dauerte, war Magdalena B. wach. „Um die Elektroden optimal zu positionieren, brauche ich die aktive Mitarbeit des Patienten“, sagt Professor Coenen. Mit Teststimulationen überprüfte er, gemeinsam mit ihrem Neurologen Dr. Martin Kronenbürger, Oberarzt am Universitätsklinikum Aachen, die Wirkung. „Frau B. kribbelt es in ihrem Arm?“, fragte er beispielsweise seine Patientin. So konnte er direkt während des Eingriffs Nebenwirkungen ausschließen, die aus einer Stimulation benachbarter Areale resultieren können.
Die 71-Jährige empfand es nicht als unangenehm den chirurgischen Eingriff mitzuerleben: „Ich hatte keine Angst.“ Unter Vollnarkose legten die Bonner Ärzte dann noch den elektrischen Pulsgenerator nahe dem Schlüsselbein unter die Haut. Dieser so genannte Hirnschrittmacher ist mit den Elektroden durch ein Kabel verbunden und wird von außen programmiert. Die 71-Jährige braucht sogar derzeit gar keine Medikamente, „Die Operation hat sich gelohnt. Das Zittern ist weg und es geht mir wieder richtig gut“, freut sich Magdalena B.. (Pressemeldung Universitätsklinikum Bonn)