Weniger ist mehr: Marburger Krebsforscher erproben neue Leukämie-Behandlung
Marburg (uni) – Heilungserfolge bei Leukämie lassen sich verstetigen, wenn ein neues Therapiekonzept zum Einsatz kommt, das Resistenzen gegen Krebsmedikamente verhindert. Krebsforscher aus Marburg, Mannheim und Jena schildern das von ihnen getestete Verfahren vorab in der aktuellen Online-Ausgabe des Fachblatts „Journal of Clinical Oncology“: Die Mediziner verabreichten zunächst das Standardmedikament Imatinib in Kombination mit dem Protein Interferon, das das Immunsystem stimuliert. Nach der Genesung reichte die Einnahme von Interferon alleine aus, um einen Rückfall zu verhindern.
Das Arzneimittel Imatinib ist das Standardpräparat gegen chronische myeloische Leukämie. Die Krankheit geht mit einer unkontrollierten Vermehrung von weißen Blutkörperchen einher und führt zum Tod, wenn sie nicht behandelt wird. Imatinib regt die Krebszellen zu kontrolliertem Zelltod an und hemmt die Aktivität des krebsauslösenden Gens BCR-ABL. Dadurch bewirkt Imatinib zwar das Nachlassen der Krankheitssymptome, aber eine dauerhafte Verabreichung des Chemotherapeutikums birgt auch Risiken: Zum Beispiel können Krebszellen resistent gegen den Wirkstoff werden, so dass es zu Rückfällen kommt.
Um das zu vermeiden, erprobten die Forscher in der aktuellen Studie ein neues Konzept. Sie behandelten 20 Patienten mit dem Standardmedikament Imatinib sowie zusätzlich mit Interferon. „Interferon bewirkt vermutlich, Imatinib-resistente Leukämiezellen durch Aktivierung des körpereigenen Immunsystems zu kontrollieren“, sagt der Marburger Mitautor Andreas Burchert. Nach initialer Kombinationstherapie wurde Imatinib bei gutem Ansprechen abgesetzt.
Als Maß für den Gesundheitszustand bestimmten die Mediziner jeden Monat die Aktivität des BCR-ABL-Gens, das für die krebstypische, unkontrollierte Zellteilung verantwortlich ist. Während eines Beobachtungszeitraums von bis zu vier Jahren blieben fünfzehn der zwanzig Betroffenen gesund, das entspricht einer Erfolgsquote von 75 Prozent. Außerdem stieg die Anzahl derjenigen Patienten, die auch in molekularen Tests vollständig symptomfrei waren. Fünf der behandelten Personen erlitten Rückfälle, sprachen jedoch auf erneute Imatinib-Verabreichung sehr gut an.
„Eine Behandlung mit Interferon ermöglicht es den meisten Patienten, Imatinib abzusetzen“, schreiben die Autoren als Schlussfolgerung aus ihren Resultaten. Das neue Konzept könne eine attraktive Alternative zu einer lebenslangen Behandlung mit dem Standardtherapeutikum sein, hoffen die Wissenschaftler.
Originalpublikation: Andreas Burchert et al.: Sustained Molecular Response with Interferon alpha (IFN) Maintenance after Induction Therapy with Imatinib plus IFN in Patients with Chronic Myeloid Leukemia, Journal of Clinical Oncology, 8. Februar 2010, doi:10.1200/JCO.2009.25.5075
(Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg)