UKM-Experten identifizierten Unbekannte als Verwandte
Ärzte forschen an tödlicher Erbkrankheit und finden genetische Ursache
Münster (ukm). Bei der Erforschung der ohne Behandlung tödlichen Erbkrankheit „CblF-Defekt“ (Vitamin B12-Stoffwechseldefekt) ist es einem internationalen Forschungsteam gelungen, die Ursache für die seltene Erkrankung nachzuweisen. Die Wissenschaftler des von Privatdozent Dr. Frank Rutsch von der Kinderklinik des Universitätsklinikums Münster (UKM) und Prof. Dr. Peter Nürnberg vom Cologne Center for Genomics der Universität zu Köln gegründeten Teams machen einen genetischen Defekt für den Vitamin-B12-Stoffwechseldefekt verantwortlich.
Vitamin B12 ist wichtig für die Zellteilung und Blutbildung, sowie für die Funktion des Nervensystems. Dieses lebenswichtige Vitamin ist in Fleisch und Milchprodukten enthalten. Um in das Zellinnere zu gelangen – also dorthin, wo es gebraucht wird – muss das Vitamin durch kleine Membranbläschen, die so genannten Lysosomen, geschleust werden. Wie das Vitamin aus diesen Bläschen heraus ins Zellinnere kommt, ist bisher unbekannt. Bei der sehr seltenen angeborenen CblF-Krankheit ist genau diese „Lysosomen-Schleuse“ defekt, das heißt, Vitamin B12 gelangt zwar in die Membranbläschen, bleibt dort aber stecken und gelangt nicht weiter in das Zellinnere. Dies führt schon im Säuglingsalter zu Entzündungen der Zunge und der Mundschleimhaut, Gedeihstörungen und Blutarmut. Unbehandelt ist diese Erbkrankheit tödlich.
In die Untersuchungen konnte das Forschungsteam, bestehend aus Kinderärzten, Genetikern und Biologen aus Deutschland, Frankreich, Kanada und der Schweiz, insgesamt zwölf Patienten mit dieser seltenen Erkrankung mit einbeziehen. Obwohl die Patienten aus unterschiedlichsten Ländern der Welt kamen, konnten die Forscher mit Hilfe von DNA-Mikrochips einen winzigen Abschnitt in Ihrer Erbinformation identifizieren, der bei nahezu allen diesen Patienten identisch war und einen Defekt in einem ganz bestimmten Gen aufwies. Demnach mussten die Patienten alle verwandt sein und vor nicht mehr als acht bis neun Generationen einen gemeinsamen Vorfahren gehabt haben, der die krankmachende Erbinformation an seine ahnungslosen Nachfahren weitergegeben hat. Das bei allen betroffene Gen codiert LMBD1, ein bisher nur unzureichend bekanntes Eiweiß, das die Wissenschaftler in den Lysosomen menschlicher Hautzellen nachweisen konnten. Fügten sie LMBD1 den defekten Patientenzellen zu, so wurde der CblF-Defekt ausgeglichen. Daraus zogen die Forscher den Schluss, dass das Eiweiß offensichtlich für das Ausschleusen von Vitamin B12 aus den Lysosomen verantwortlich ist.
Mit diesen Untersuchungen, deren Ergebnisse am 11. Januar in der renommierten Zeitschrift Nature Genetics online veröffentlicht wurden, konnten die Wissenschaftler nicht nur die Ursache der seltenen CblF-Erkrankung nachweisen, sondern auch ein neues lysosomales Transport-Eiweiß identifizieren. Damit wurde ein wichtiger weiterer Schritt im komplexen Vitamin B12-Stoffwechselweg aufgeklärt. In weiteren Untersuchungen widmen sich die Forscher nun dem genauen Prozess des Cobalamin-Transportes durch die Lysosomen.