Progerie: neue erfolgversprechende Gentherapie am Mausmodell
Mäuse mit Gentherapie behandelt – Lebenszeit deutlich verlängert
Progerie ist eine seltene Erbkrankheit, bei der die betroffenen Kinder fünf- bis zehnmal schneller altern als Menschen ohne diese Krankheit und die von Symptomen wie geringer Haarwuchs, Gelenkschmerzen, dünne und unbehaarte Haut, Herz-Kreislauf-Problemen, etc. begleitet wird. Nur selten werden die Patienten älter als 15 Jahre, meist erfolgt der Tod durch Herzinfarkt. Nicolas Levy und sein Team entdeckten 2003 die Ursache für diesen Defekt: das Gen LMNA. Dieses Gen kodiert das Strukturprotein Lamin A/C. Eine Mutation dieses Gens verursacht die Produktion eines verkürzten Proteins – Progerin -, das sich in der Zellkernhülle ansammelt. Durch seine toxische Wirkung schwächt und verformt es die Hülle und ist für unterschiedliche Fehlfunktionen des Zellkerns verantwortlich.
2008 startete eine klinische Studie mit 12 betroffenen Kindern. Die Behandlung beruht auf der Kombination von zwei Molekülen (Statine und Aminobisphosphonate), die auf die chemische Veränderung des Progerins zur Verringerung seiner Toxizität abzielt. Diese Therapie kann zwar den Krankheitsverlauf verlangsamen, jedoch nicht die Progerin-Menge reduzieren. Um diesen letzten Aspekt genauer untersuchen zu können, benötigten die Forscher ein passendes Tiermodell.
Zu diesem Zweck riefen die französischen und spanischen Forscher, unter der Leitung von Bernard Malissen von der IBISA-Plattform des Immunologie-Zentrums in Marseille-Luminy [4], bei Mäusen eine genetische Mutation hervor, die denen der betroffenen Menschen ähnelte, um so die pathologischen Mechanismen nachzuahmen. Die behandelten Mäuse wiesen sowohl einen ähnlichen Phänotyp als auch eine erheblich verkürzte Lebenszeit wie die betroffenen Kinder auf (durchschnittlich 103 Tage im Vergleich zu 2 Jahren bei wild lebenden Mäusen). Die für die Anomalie verantwortlichen genetischen Mechanismen sind also mit denen beim Menschen vergleichbar.
Mit Hilfe dieses Tiermodells haben die Forscher eine Therapie entwickelt, die direkt auf die Mutation abzielt und die Progerin-Produktion verringert bzw. sogar verhindert. Hierfür nutzten sie die Antisense-Oligonukleotide-Technologie „vivo Morpholino [5]“, bei der den erkrankten Mäusen synthetische Antisense-Oligonukleotide injiziert werden. Diese Methode ermöglicht es entweder die Produktion eines Proteins zu blockieren oder die Produktion eines gewünschten Proteins zu vereinfachen. Im vorliegenden Fall wurde sowohl die Menge an Progerin als auch an Lamin A reduziert. Die Lebenserwartung der behandelten Mäuse wurde dadurch von durchschnittlich 155 Tage bis auf maximal 190 Tage verlängert.
Die beiden Teams wollen jetzt aus diesen Arbeiten eine therapeutische Studie für Kinder entwickeln, um ihre Therapie – eventuell in Kombination mit anderen pharmakologischen Molekülen – zu testen. Parallel dazu werden weitere Forschungen durchgeführt, um alternative Lösungen zur Morpholino-Verabreichung zu finden.
[1] Inserm – französisches Institut für Gesundheitswesen und medizinische Forschung[2] Originalpublikation: „Splicing-Directed Therapy in a New Mouse Model of Human Accelerated Aging“, Science Translational Medicine – 26.10.2011
[3] Die AFM ist eine Patientenorganisation, deren anfängliches Ziel es war, therapeutische Lösungen für neuromuskuläre Erkrankungen zu finden, insbesondere durch Gentherapien. Heute fördert die AFM Forschungen zu allen Erbkrankheiten. Website der AFM (nur auf Französisch)
[4] IBiSA (Infrastrukturen für Biologie, Gesundheit und Agronomie) ist eine Vereinigung von Wissenschaftsplattformen (Forschungsausrüstungen und Personal), die sowohl lokalen Forschergruppen als auch externen Wissenschaftlern zur Verfügung stehen. Die Dienstleistungen der IBiSa decken die Bereiche der Bioinformatik, in vivo und zelluläre Bildgebung, Tierbehandlung, Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik, Stammzellen, Screening und Chemikalienbank, etc. ab. Webseite der IBiSA (nur auf Französisch)
[5] Morpholino Oligos oder kurz Morpholinos sind Nukleinsäure-Analoga, die als Werkzeuge in der Molekularbiologie verwendet werden, um einen Knockdown von Genen zu erzielen.