Myasthenia gravis mit Protein aus dem Speichel von Zecken behandelbar?
St. Louis (eurekalert) – Auf der Suche nach einer besseren Behandlung der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis haben Forscher im Tiermodell festgestellt, dass ein Protein, das im Speichel von Zecken vorkommt, die Schwere der Erkrankung beeinflussen kann. Die Studie wurde jetzt in den Annals of Neurology veröffentlicht.
Myasthenia gravis ist eine seltene belastungsabhängige Muskelschwäche. Sie macht sich durch eine schnelle Ermüdbarkeit bei wiederholten Bewegungen bemerkbar und kann einen zunehmend schweren Verlauf nehmen. Dabei kann es zu Lähmungen kommen und zu einer so schweren Beeinträchtigung der Atemmuskulatur, dass Betroffene nur im Sitzen schlafen können oder in fortgeschrittenem Stadium beatmet werden müssen. Häufig macht sich die Myasthenia gravis zuerst an den Augen, Augenlidern und den äußeren Augenmuskeln bemerkbar: Durch Ermüden der Lidhebermuskeln kommt es zum typischen „Schlafzimmerblick“ (Ptosis), weil die Lider nicht mehr hochgehalten werden können.
Die konventionellen Behandlungsansätze haben dazu geführt, dass betroffene Patienten mittlerweile eine normale Lebenserwartung haben. Mitunter kommt es allerdings zu unerwünschten Nebenwirkungen. So kommt es unter der Gabe von Kortikosteroiden neben einer ausgeprägten Gewichtszunahme oft auch zu Osteoporose, Glaukom und Diabetes. Andere Behandlungen wie die intravenöse Gabe von Immunglobulinen und die Plasmapherese sind teuer und können in seltenen Fällen zu Infektionen, Herzinfarkt und Schlaganfall führen. „Es besteht ein echter Bedarf für bessere Behandlungen. Diese Studie ist ein Schritt in diese Richtung“, sagt Heinrich Kaminski, MD, Vorsitzender der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie der Saint Louis University.
Die Ärzte glauben, dass Myasthenia gravis durch eine Überreaktion des Komplementsystems ausgelöst wird, einer Komponente des Immunsystems, die den Körper gegen Bakterien und andere Krankheitserreger verteidigt. Antikörper blockieren dabei die Rezeptoren an der neuromuskulären Kreuzung, der Verbindung der Nerven mit den Muskeln. Die nachfolgende Aktivierung der Rezeptoren verhindert dann, dass eine Muskelkontraktion auftritt. Forscher hoffen nun, Komplement-Inhibitoren entwickeln zu können, um der Überreaktion des Komplementsystem entgegenzuwirken.
Das Protein rEV576, das im Speichel der Zecke vorkommt, unterdrückt in Ergänzung zur konventionellen Behandlung eine Immunantwort im Körper ihres menschlichen Wirtes. SLU Forscher haben das Protein in Zusammenarbeit mit Varleigh Ltd. an zwei Gruppen von Ratten, die unter einer leichten und schweren Form der Myasthenia gravis litten, getestet. Die Gesundheit der Ratten verbesserte sich deutlich: Muskelschwäche und Gewichtsverlust waren weniger deutlich ausgeprägt. Die Forscher hoffen jetzt, den therapeutischen Wert von rEV576 in der Humanmedizin unter Beweis stellen zu können.
Weil Zeckenbisse beim Menschen keine allergischen Reaktionen hervorrufen, sind die Forscher zudem zuversichtlich, ein Medikament entwickeln zu können, das nicht mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einher geht. „Komplement-Inhibitoren sind eine völlig neue Klasse von Medikamenten“, sagt Kaminski. Er glaubt, dieser neue Behandlungsansatz könne auch für andere Krankheiten wie Alzheimer, Schlaganfall und rheumatoider Arthritis von Bedeutung sein. (b.barth)
Mehr Infos siehe: Saint Louis University