Multiple Sklerose: Neue Methode verbessert die Diagnose der Erkrankung deutlich
Bonn (idw) – Bei der Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose sind sowohl die Nervenzellen der weißen als auch der grauen Substanz in Hirn und Rückenmark angegriffen. Ausgerechnet in der klinisch besonders relevanten grauen Hirnsubstanz ließen sich krankhafte Veränderungen bisher aber nur schwer erkennen. Mediziner der Universitäten Bonn und des MS & Alzheimer Center Amsterdam haben nun ein Untersuchungsverfahren gefunden, das die Schädigungen in der grauen Substanz deutlich besser sichtbar macht.
In Deutschland leiden mehr als 120.000 Menschen an der unheilbaren Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose (MS). Aus bisher unbekannten Gründen greift das eigene Immunsystem bei den Betroffenen verschiedene Stellen des zentralen Nervensystems (ZNS) an – unter anderem die Isolierschichten der Nervenzellen (Myelinscheiden). Dort entzündet sich eine Art „Kabelbrand“, Mediziner nennen dies Läsion oder Entmarkungsherd. Die Folge: Nervenimpulse können nur noch eingeschränkt oder nicht mehr weitergeleitet werden. Im weiteren Verlauf der Krankheit werden die Nervenzellen geschädigt und gehen zugrunde.
MS-Läsionen in der weißen Hirnsubstanz lassen sich durch herkömmliche Magnetresonanztomografie (MRT) recht gut erkennen. Obwohl die MS traditionell als eine Erkrankung der weißen Substanz interpretiert wird, gilt es mittlerweile als gesichert, dass dabei vor allem auch die graue Substanz des zentralen Nervensystems in Mitleidenschaft gezogen wird. Mit der herkömmlichen Magnetresonanztomographie (MRT) bleiben die Entzündungsherde in der grauen Substanz – auch kortikale Läsionen genannt – jedoch vielfach unentdeckt.
Schärferer Blick mit stärkerem Magneten
Privatdozent Dr. Mike Wattjes vom MS & Alzheimer Center Amsterdam und sein Team wollten prüfen, ob sich die Erkennungsrate der kortikalen Läsionen optimieren lässt. Der deutsche Radiologe hat die aktuelle Studie an seiner früheren Wirkungsstätte – der Radiologischen Klinik der Universität Bonn – begonnen. In der Bonner Universitätsradiologie untersuchten er und seine Kollegin Dr. Birgit Simon 34 MS-Patienten und neun Kontrollpersonen in zwei Magnetresonanztomographen unterschiedlicher Magnetfeldstärke. Ergebnis: Bei einem Hochfeld-MRT mit 3 Tesla Feldstärke waren deutlich mehr Läsionen zu erkennen als bei einem MRT mit der herkömmlichen Feldstärke von 1,5 Tesla. Bei Untersuchungen mit Hochfeld MRT plus einer so genannten Double Inversion Recovery (DIR)-Pulssequenz stachen die kortikalen Läsionen im Bild am deutlichsten hervor. Die Erkennungsrate lag dabei fast drei Mal so hoch wie bei einer herkömmlichen MRT-Untersuchung bei 1,5 Tesla.
„Die kortikalen Veränderungen sind von entscheidender klinischer Relevanz, da sie vor allem mit dem Grad der körperlichen Behinderung und der kognitiven Beschwerden in Verbindung stehen“, sagt Dr. Wattjes. „Durch den Einsatz der Hochfeld MRT in Kombination mit speziellen Pulssequenzen können wir diese Läsionen besser sichtbar machen. Damit können wir auch schon zu einem recht frühen Erkrankungszeitpunkt mit größerer Sicherheit sagen, ob eine MS vorliegt oder nicht.“
Die Multiple Sklerose gilt als eine sehr heterogene Erkrankung und wird somit oft als „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ bezeichnet: Je nachdem, welche Stellen des Nervensystems entzündet sind, können sich für den Patienten verschiedenste Symptome einstellen – Schwindel, Sehschwächen, Lähmungen oder auch kognitive Defizite. In der Vergangenheit hat man oft auf Basis von neurologischen Befunden und damit recht spät (z.T. erst nach dem zweiten Krankheitsschub) die Diagnose sicher stellen und adäquat behandeln können. „Die MRT-Diagnostik hat die Diagnostik der MS revolutioniert. Mit ihr haben wir nunmehr die Möglichkeit, eine Krankheitsaktivität zu erkennen, bevor sie sich beim Patienten in Form eines zweiten Krankheitsschubes klinisch neurologisch eindeutig manifestiert“, so Wattjes. Mit Hilfe der Hochfeld-MRT und neuer Bildgebungstechniken hoffen die Mediziner, in Zukunft nun auch den Ursachen der „Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ auf die Spur zu kommen.
Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „European Radiology“ (doi: 10.1007/s00330-009-1705-y) erschienen.
(Pressemittelung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auf idw-online.de)