Multiple Sklerose ist primär eine immunologische Erkrankung
Berlin – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) ist es im Verbund mit 23 Forschergruppen aus 15 verschiedenen Ländern gelungen, insgesamt 29 neue genetische Varianten zu entdecken, die an der Entstehung von Multipler Sklerose (MS), einer entzündlichen Erkrankung des Nervensystems, beteiligt sind. Die Forscherinnen und Forscher versprechen sich von den gewonnenen Erkenntnissen neuartige therapeutische Ansätze. Die Studie wurde am 11. August in der renommierten Fachzeitschrift Nature* veröffentlicht.
Multiple Sklerose, eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems bei jungen Menschen, ist charakterisiert durch eine Schädigung der Nervenfasern und der Myelinschicht, welche die Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark ummantelt. Dies kann unter anderem zu Sehstörungen, Gehbehinderungen, Taubheitsempfinden und Inkontinenz führen.
Die Studie konnte 23 bekannte genetische Varianten bestätigen und identifizierte 29 noch nicht bekannte. Es zeigte sich, dass viele der beteiligten Gene wesentliche Funktionen des Immunsystems und der Aktivierung bestimmter Botenstoffe regeln. Die Forschungsergebnisse belegen für MS überschneidende genetische Varianten, die sich auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Typ 1-Diabetes finden. Ebenso konnte der Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und MS aufgrund zweier genetischer Varianten bestätigt werden.
Dr. Carmen Infante-Duarte, Leiterin der Forschungsgruppe „Experimentelle Neuroimmunologie“ am Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung der Charité und des MDC in Berlin-Buch, verweist auf die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit bei dieser Studie: „Multipe Sklerose resultiert aus dem Zusammenspiel zahlreicher Gene. Nur in der breiten internationalen Studie, die 27.000 Patienten und Kontrollpersonen umfasste, konnten genetische Veränderung identifiziert werden, die eindeutig mit der Erkrankung assoziiert sind.“
Prof. Alastair Compston von der Universität Cambridge und Prof. Peter Donnelly von der Universität Oxford, die die Arbeit der insgesamt mehr als 250 internationalen Forscher koordinierten, unterstreichen die spezifische und die allgemeine Bedeutung der Studie: „Die Untersuchung konnte nach langer Debatte den Nachweis erbringen, dass die Multiple Sklerose primär als immunologische Erkrankung anzusehen ist. Nur derart groß angelegte genetische Studien wie die unsere sind in der Lage, die zugrundeliegenden Mechanismen solch komplexer Krankheiten wie MS darzustellen.“
Die neuen Forschungsergebnisse stellen nach Ansicht der Forscher die Grundlage für neuartige therapeutische Ansätze dar, nicht nur für die 400 Patienten der Charité, die sich an der Studie beteiligt haben, sondern auch für die 2,5 Millionen Patienten weltweit.
Genetic risk and a primary role for cell-mediated immune mechanisms in multiple sclerosis. The International Multiple Sclerosis Genetics Consortium & the Wellcome Trust Case Control Consortium. Nature. 2011 Aug 10;476(7359):214-9. doi: 10.1038/nature10251.
(Pressemitteilung der Berliner Charité)