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Kindliche Demenz. Foto: Greyerbaby. Lizenz: CC0

Kindliche Demenz erstmals medikamentös gebremst

Die Studienergebnisse einer medikamentösen Enzymersatztherapie zur Behandlung einer speziellen Form von kindlicher Demenz liegen vor: Studienleiterin Dr. Angela Schulz aus dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erklärte bei einem Kongress in San Diego, USA, dass die unheilbare Krankheit CLN2 bei 87 Prozent der 24 behandelten Kinder deutlich langsamer voranschritt als bei unbehandelten Patienten. „Erstmalig konnte eine fortschreitend verlaufende Form von Kinder-Demenz erfolgreich behandelt werden“, erklärte die Kinderärztin. Die Hersteller-Firma BioMarin will auf Basis der Studienergebnisse Mitte 2016 einen Zulassungsantrag bei den amerikanischen und europäischen Behörden stellen.


Die Krankheit CLN2 gehört zur Gruppe der neuronalen Ceroid-Lipofuszinosen (NCL), einer frühen und rasch fortschreitenden Form von Kinder-Demenz, bei der die Patienten ab dem dritten bis fünften Lebensjahr rapide ihre Fähigkeit zu laufen und zu sprechen verlieren und früh versterben. Die Krankheit gilt als unheilbar. Ursache der autosomal rezessiv vererbten Krankheit ist das Fehlen des Enzyms, der Tripeptidyl-Peptidase I, wodurch Nervenzellen im Gehirn ihre Funktionsfähgikeit verlieren und absterben.

Von September 2013 bis Dezember 2015 wurde an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE eine sogenannte klinische Phase 1/2-Studie zur intraventrikulären Enzymersatz-Therapie bei CLN2-Krankheit durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurde den Patienten ein künstlich hergestelltes Enzym in zweiwöchigem Abstand über 48 Wochen hinweg mit Hilfe eines kleinen Katheterschlauchs in den Hirninnenraum verabreicht, um so das fehlende Enzym zu ersetzen und das Absterben der Nervenzellen zu stoppen. Dieses Vorgehen wurde weltweit erstmals im Rahmen dieser Studie durchgeführt. Zwölf von insgesamt 24 Studienpatienten weltweit wurden in Hamburg behandelt, weitere Studienzentren waren in Rom, London, und Columbus, USA.

Die Ergebnisse hat Studienleiterin Dr. Angela Schulz aus der Klinik für Kinder-und Jugendmedizin des UKE jetzt beim Annual WORLDSymposium 2016 in San Diego, USA, vorgestellt. Die Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung wurde bei allen 24 Patienten als positiv bewertet. Darüber hinaus konnte ein signifikanter Behandlungserfolg gezeigt werden: 65 Prozent der Patienten erreichten über 48 Wochen eine Stabilisierung der Fähigkeit zu laufen und zu sprechen und 87 Prozent der Patienten zeigten ein deutlich langsameres Fortschreiten der Krankheit verglichen mit Daten unbehandelter Patienten.

Das primäre Messinstrument für die Wirksamkeit der Behandlung ist eine Bewertungsskala für die Fähigkeit zu laufen und zu sprechen, die von der NCL-Forschungsgruppe am UKE entwickelt worden war und mit deren Hilfe über Jahre hinweg in einem von Dr. Schulz koordinierten europäischen NCL-Forschungskonsortium DEM-CHILD vor Studienbeginn Daten zum Krankheitsverlauf bei unbehandelten Patienten gesammelt wurden. Diese Daten dienten in der jetzigen Studie als Vergleichsdaten. Zusätzlich zeigten Kernspin-Untersuchungen des Gehirns, dass behandelte Kinder signifikant weniger des Volumens ihrer Hirnrinde pro Jahr verlieren als unbehandelte Kinder.

Die Studie habe den Beweis erbracht, dass eine Enzymersatztherapie, die direkt in den Hirninnenraum (Ventrikel) verabreicht wird, wirksam sein kann, erklärte Dr. Schulz in San Diego. „Wir haben einen signifikant positiven Effekt auf den Krankheitsverlauf gesehen. Dies stellt einen lang ersehnten Hoffnungsschimmer für CLN2-Patienten weltweit dar.“

Alle 24 Patienten werden aktuell in einer Phase 2-Fortsetzungsstudie mit dem Medikament weiterbehandelt. Die Herstellerfirma BioMarin plant, auf der Basis der positiven Studienergebnisse bis Mitte 2016 einen Zulassungsantrag bei der U.S. Food and Drug Administration (FDA) und der European Medicines Agency (EMA) zu stellen.

Hintergrund:
Neurale Ceroid-Lipofuszinosen (NCL) zählen zur Gruppe der lysosomalen Speichererkrankungen und sind Hauptauslöser für Demenz im Kindesalter. Etwa eines von 30.000 Kindern ist von einer NCL-Erkrankung betroffen. Die Stoffwechselstörungen führen dazu, dass Abfälle des Zellstoffwechsels nicht abgebaut werden können und gesunde Nervenzellen sterben. Ausgelöst werden die Krankheiten durch erblich bedingte Genmutationen. 13 NCL-Gene wurden bisher entdeckt. Alle Formen weisen eine Kombination aus Demenz, Verlust der Sehfähigkeit, epileptischen Krampfanfällen und motorischem Abbau auf. Keine der NCL-Krankheiten ist bisher heilbar.

Die Kinderklinik des UKE hat sich seit vielen Jahren auf die Erforschung, Diagnostik und Therapie dieser seltenen Erkrankungen spezialisiert. Im Rahmen des europäischen Forschungsschwerpunkts DEM CHILD (Dementia in Childhood) wurde unter Leitung des UKE ein internationales Patientenregister entwickelt. 2016 sind weitere, von der EU („Horizont 2020“) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte große Forschungsprojekte zu NCL-Erkrankungen am UKE angelaufen (NCL2TREAT und BATCure).

(Pressemitteilung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, 3.3.2016)

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