Forscher suchen nach Darmkrebs-Genen
Hoffnung auf bessere Früherkennung und neue Behandlungsoptionen
Dickdarmkrebs zählt mit 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr zu den häufigsten Krebsleiden in Deutschland. Ein Teil der Betroffenen leidet an einer erblichen Form, die mit einem hohen Erkrankungrisiko bei verwandten Familienmitgliedern einhergeht. Nicht immer ist aber klar, welche Gene betroffen sind. Wissenschaftler der Universität Bonn fahnden nun systematisch nach veränderten Erbanlagen, die zu Darmkrebs führen können. Die Deutsche Krebshilfe fördert das dreijährige Projekt mit 590.000 Euro.
Die Forscher wollen rund 300 Patienten mit einer bestimmten Polypen-Erkrankung des Dickdarms auf genetische Auffälligkeiten durchmustern. Darmpolypen sind gutartige Wucherungen der Darmschleimhaut. Bei der „adenomatösen Polyposis“ entstehen aus ihnen im Laufe der Zeit mit großer Wahrscheinlichkeit bösartige Tumoren. „Ursache sind häufig Veränderungen in den Erbanlagen“, erklärt Oberarzt Dr. Stefan Aretz. „Mit den bisher eingesetzten Methoden ließen sich die betroffenen Gene in dieser Patientengruppe aber nicht identifizieren.“
Hoffnung macht ein methodischer Ansatz, der erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht: „Mit der SNP-Array-Analyse können wir gleichzeitig Hunderttausende von Stellen in der gesamten genetischen Bauanleitung der Patienten untersuchen“, sagt Aretz. „Durch den Vergleich mit dem Bauplan gesunder Kontrollpersonen hoffen wir, neue Einblicke in die genetischen Hintergründe dieser Erkrankung zu erhalten.“
Aretz ist Leiter der Arbeitsgruppe „Erbliche Polyposis-Syndrome“ des Bonner Instituts für Humangenetik. Dort beschäftigt man sich bereits seit 20 Jahren mit der Erforschung erblicher Tumorerkrankungen des Magen-Darm-Traktes. „Bei erblichem Dickdarmkrebs haben Geschwister oder auch Kinder der Betroffenen ein hohes Risiko, im Laufe des Lebens ebenfalls zu erkranken“, sagt er. „Wenn mehrere Darmkrebs-Fälle in der Familie bestehen, sollte deshalb unbedingt eine humangenetische Beratung in Anspruch genommen werden. Dabei wird beispielsweise besprochen, ob ein Gentest sinnvoll ist. Mit der Darmspiegelung existiert zudem eine sehr wirksame Möglichkeit der Vorsorge; hierdurch können Polypen schon im Frühstadium entdeckt und entfernt werden.“
In vielen Fällen, in denen Dickdarmkrebs familiär gehäuft auftritt, liegt die genetische Ursache aber bis heute im Dunkeln. Die Bonner Forscher untersuchen daher ein vergleichsweise großes Patientenkollektiv. Die Chance, dass sie dabei auf aussichtsreiche Gene stoßen, ist deshalb nicht schlecht. Neben dem Institut für Humangenetik sind auch Forscher des Life&Brain Zentrums, des Instituts für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemiologie, des Instituts für Pathologie und des Zentrums für Innere Medizin beteiligt. „Wir kochen aber nicht im eigenen Saft“, betont Dr. Stefan Aretz: „Vielversprechende Befunde werden anschließend von Kooperations-partnern im europäischen Ausland überprüft.“
Die Ergebnisse könnten zu einem besseren Verständnis beitragen, wie Dickdarmkrebs entsteht. Außerdem erhoffen sich die Forscher diagnostische Fortschritte: So könnte ein Gentest helfen, Familienmitglieder mit erhöhtem Darmkrebs-Risiko zu identifizieren. Diejenigen, die keine Veranlagung haben, würden dadurch enorm entlastet. Außerdem könnte man die Vorsorge-Untersuchungen hiermit auf die tatsächlichen Anlageträger beschränken, also den Personenkreis, der sie nötig hat.