Versorgung von behinderten Kassenpatienten kritisiert
Jena (kobinet) Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) hat heute die doppelte Benachteiligung behinderter Menschen im deutschen Gesundheitssystem kritisiert. Zum einen würden barrierefreie Arztpraxen und flächendeckende Versorgungsangebote für behinderte Menschen fehlen, die eine freie Arztwahl ermöglichen. Zum anderen müssten gesetzlich Krankenversicherte insbesondere bei den niedergelassenen Fachärzten wesentlich länger auf einen Termin warten als Privatpatienten, wie eine Studie des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie ergab.
„Zurzeit ist das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen in aller Munde. Im Bereich der Gesundheitsversorgung, wo die Übereinkunft in Artikel 25 ‚das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung‘ fordert, liegen wir allerdings hinter den Vorgaben der Konvention noch meilenweit zurück. Dies ist ein Zustand, der nicht länger hinnehmbar ist“, erklärte Barbara Vieweg, Bundesgeschäftsführerin der ISL.
„Es kann nicht sein, dass chronisch Kranke, die langfristig teure Medikamente, Therapien oder ein Hilfsmittel benötigen, Probleme haben, überhaupt eine Arztpraxis zu finden, die sie als Patienten annimmt oder ÄrztInnen, die entsprechende Verordnungen ausstellen“, so Vieweg. Wohnortnah qualitativ hochwertig medizinisch versorgt zu werden, müsse für Menschen mit Behinderungen genauso selbstverständlich sein, wie für nicht behinderte Menschen.
„Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die für alle einen barrierefreien und chancengleichen Zugang zur ärztlichen Versorgung sicherstellt und dieses für Kassenpatienten gleichermaßen gewährleistet“, fordert Vieweg. Sie kommt zu dem Schluss: „Wenn die Kassenärztliche Vereinigung nicht in der Lage ist, eine qualitativ hochwertige und barrierefreie Versorgung für alle sicherzustellen, muss auch darüber nachgedacht werden, ob sie ihren Sicherstellungsauftrag noch erfüllt oder ob er den Krankenkassen übertragen werden soll. Wenn es mit der deutlichen Aufstockung der Vergütung für die niedergelassenen Ärzte nicht gelingt, eine angemessene und gerechte Bezahlung der ärztlichen Leistungen sicherzustellen, haben sich die kassenärztlichen Vereinigungen überholt.“ sch
(Meldung von kobinet-nachrichten)