Behinderten-Anwalt vor Gericht
Öffentliches Verfahren am 27.10.2008, 10 Uhr, OLG Oldenburg
Oldenburg (kobinet-nachrichten) Über ein bevorstehendes Gerichtsverfahren, in dem sich der Oldenburger Rechtsanwalt Alfred Kroll verantworten soll, wurde die Redaktion von einem kobinet-Leser informiert, dem der jetzt angeklagte Anwalt wie vielen anderen behinderten Menschen zu seinem Recht verholfen hat.
Wenn am 27. Oktober im Sitzungssaal I des Oberlandesgerichts Oldenburg am Richard-Wagner-Platz ab 10 Uhr gegen den Behinderten-Anwalt verhandelt wird, geht es vorrangig um Fragen, wie sie in einer Presseinformation genannt wurden: Wie engagiert darf ein Rechtsanwalt Behörden gegenüber auftreten, wenn es um die Belange seiner behinderten Mandanten geht? Darf er zum Beispiel die mit keinem Gesetz zu vereinbarende Deckelung von Integrationshilfe als „objektiv willkürliches Verwaltungshandeln“ anprangern? Darf er öffentlich beklagen, dass vielen behinderten Bürgern im Einzugsbereich der betreffenden Behörde vorsätzlich ein faires Verwaltungsverfahren vorenthalten wird, um Sozialleistungen einzusparen? Darf er, weil seiner Meinung nach in zumindest einem Fall Nötigung, unterlassene Hilfeleistung und Rechtsbeugung vorliegt, gegen die verantwortlichen Entscheidungsträger Strafanzeige erstatten?
Gegenstand des anwaltlichen Standesverfahrens sind unter anderem zwei Fälle aus dem Landkreis Oldenburg, durch die sich Kroll zu den genannten Äußerungen und Handlungen veranlasst sah. Über einen der beiden Fälle, in dem es um Eingliederungshilfen für einen damals achtjährigen autistischen Jungen geht, hatte die regionale Presse 2007 wiederholt berichtet.
Nach Meinung der Staatsanwaltschaft Oldenburg hat Kroll durch sein Engagement einen „schwerwiegenden Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot“ begangen. Diesen Vorwurf bestreitet der auf Sozial- und Behindertenrecht spezialisierte Anwalt vehement. Er will seine Anschuldigungen vor Gericht wiederholen.
Zwar weist die Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Verfahrens ist, die behaupteten „Grundrechtsverletzungen des Landkreises Oldenburg transparent zu machen“. Gleichwohl hofft Kroll, dass das gegen ihn ins Rollen gebrachte Verfahren „möglichst vielen Menschen die Augen dafür öffnet, wie die Sozialbehörden im Landkreis Oldenburg die gesetzlich verankerten Menschenrechte behinderter Kinder mit Füßen treten“. Der Prozess ist öffentlich. Wer sich ein eigenes Urteil bilden möchte, kann dies tun. (sch)