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Nach der Reform ist vor der Reform

Statement von Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vize-Präsident der Bundesärztekammer

Berlin (bäk) – Nach der Reform ist vor der Reform. Dieser Ausspruch hat selten so gut gepasst wie heute. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz und das GKV-Finanzierungsgesetz haben gerade den Bundestag passiert, da richten sich die Blicke schon auf das nächste Reformpaket. Die Bundesregierung hat angekündigt, im kommenden Jahr ein Versorgungsgesetz vorzulegen, mit dem gegen den Ärztemangel vorgegangen werden soll. Da ist es gut, wenn MLP, Allensbach und die Bundesärztekammer nunmehr zum dritten Mal gemeinsam einen Überblick darüber geben, wie zufrieden die Menschen in Deutschland mit der Gesundheitspolitik ihrer Regierung sind und wie sie die künftige Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung beurteilen.

Die gute Nachricht zuerst: Das Vertrauen der Menschen in die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens ist in diesem Jahr wieder gestiegen. Mittlerweile beurteilen 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Gesundheitsversorgung in Deutschland als „gut“ oder sogar „sehr gut“. Vor zwei Jahren waren es 59 Prozent. Zufrieden ist auch die große Mehrheit derjenigen, die besonders auf eine funktionierende Gesundheitsversorgung angewiesen sind und damit die Qualität der Leistungen unseres Gesundheitswesens aus eigener Erfahrung beurteilen können. Diese Ergebnisse sind Ausdruck des Vertrauens der Bürger in ihre Ärztinnen und Ärzte, in ihre Krankenhäuser und in die Pflegenden in unserem Land, aber auch der Erleichterung über das Ende einer Gesundheitspolitik, die von Misstrauen und Stigmatisierung geprägt war.

Die bedauerliche Nachricht ist, dass die Menschen dieses Vertrauen nicht der Politik entgegenbringen können. Offenbar sitzt die Verunsicherung bei uns allen, die wir mit den Folgen einer jahrzehntelang verfehlten Gesundheitspolitik leben müssen, noch immer zu tief. Nur noch 15 Prozent der Menschen glauben, dass die Politik die gewaltigen gesundheits- und gesellschaftspolitischen Zukunftsaufgaben, die vor uns liegen, meistern kann. Ärzte und Patienten besorgt gleichermaßen, dass sich die Qualität der Gesundheitsversorgung in Zukunft verschlechtern könnte. Zwei Drittel der Ärztinnen und Ärzte befürchten, dass neben therapeutischen Gesichtspunkten immer stärker wirtschaftliche Aspekte bei der Versorgung eine Rolle spielen werden. Mehr als 72 Prozent der Ärzte sehen wegen des Kostendrucks schon heute ihre Therapiefreiheit bedroht oder zumindest in Frage gestellt. Das muss die Politik bei ihren Beratungen für ein Versorgungsgesetz mit berücksichtigen.

Und wie sieht es mit den Arbeitsbedingungen für uns Ärztinnen und Ärzte aus? Fast die Hälfte der befragten Ärzte konstatiert, dass der Arztberuf an Attraktivität verloren hat. Zudem zeigt die Studie, dass die Bewertung der Attraktivität des Arztberufs keineswegs nur eine Frage des Einkommens ist, sondern ganz wesentlich auch von anderen Faktoren bestimmt wird. Eindeutig haben sich die Präferenzen der jungen Ärztegeneration verändert. Früher lebten die Ärzte um zu arbeiten, dann arbeiteten sie, um zu leben. Und heute wollen die Ärzte beim Arbeiten auch leben. Das müssen die Krankenhausträger endlich verinnerlichen. Nur so können wir in Zeiten des Ärztemangels wieder mehr junge Medizinabsolventen für die Patientenversorgung begeistern. Die Befragung zeigt aber, dass viele Kollegen die Hoffnung auf ein Umdenken verloren haben. So können es sich die Ärztinnen und Ärzte kaum mehr vorstellen, dass sich an den zum Teil miserablen Arbeitsbedingungen noch etwas ändert. Im Gegenteil: Mehr als die Hälfte der Mediziner befürchtet, dass die Attraktivität des Arztberufes weiter abnehmen könnte. Das ist in Zeiten des Ärztemangels ein alarmierender Befund.

Wir begrüßen deshalb, dass die Politik dem Ärztemangel nun endlich mit gesetzlichen Neuregelungen entgegentreten will. Geplant ist, die Instrumente zur Analyse des Versorgungsbedarfs neu zu justieren, um so Unwuchten bei der Verteilung der Mediziner auszugleichen. Das ist richtig und wichtig, nur werden wir damit keinen einzigen zusätzlichen Absolventen des Medizinstudiums dazu bewegen, statt ins Ausland oder in fachfremde Berufe, in die Patientenversorgung zu gehen. Dafür sind zusätzliche Anreize nötig, monetäre, aber auch nicht-monetäre. Die anstehende Gesetzesinitiative darf sich deshalb nicht nur in einer Reform der ärztlichen Bedarfsplanung erschöpfen. Die Politik muss auch dafür Sorge tragen, dass die Rahmenbedingungen für unsere tägliche Arbeit wieder stimmen. Das heißt, mehr Stellen in den Kliniken, Abbau von Überstunden und Bürokratie und endlich auch mehr Angebote für die Kinderbetreuung in den Krankenhäusern. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten wir von dieser Bundesregierung.

PDF zum Download (361 KB): MLP-Gesundheitsreport 2010.pdf

(Pressemeldung der Bundesärztekammer)

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