Soziale Ungerechtigkeit tötet im großen Stil
WHO präsentiert Studie über soziale Gesundheitsfaktoren
Genf (pte) – Soziale Ungerechtigkeiten sind für die allgemeine Gesundheit schlimmer als das Fehlen von medizinischen Einrichtungen. Zu diesem Schluss kommt eine dreijährige Studie der Commission on Social Determinants of Health (CSDH) – einem Beratungsgremium der Weltgesundheitsorganisation WHO. Innerhalb einer einzigen Generation kann sich das allerdings ändern, berichtet das Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner Online-Ausgabe.
Die Forscher der CSDH haben nachgewiesen, dass Lebensqualität, Gesundheit und Lebenserwartung dramatisch von sozioökonomischen Bedingungen abhängen. Demnach sind manchmal nur wenige Kilometer ausschlaggebend dafür, wie lange ein Menschenleben durchschnittlich dauert. Ein Kind, das in einem Vorort von Glasgow zur Welt kommt, hat eine um 28 Jahre geringere Lebenserwartung als ein Kind, das nur wenige Kilometer davon entfernt geboren wird. Ein bolivianisches Baby einer Mutter ohne Grundschulbildung hat eine 25 Mal höhere Sterblichkeitsrate als ein Kleinkind einer Mutter mit Hauptschulabschluss.
Dabei gelte der Grundsatz, je reicher ein Land, desto gesünder sei die Bevölkerung, nicht uneingeschränkt. Nur wenn Kapital in einem Staat dazu verwendet wird, um soziale Determinanten wie Erziehung, Erwerbstätigkeit, grundsätzliche Annehmlichkeiten und Geschlechtergleichheit zu schaffen, kann die Gesundheit verbessert werden. Positive Beispiele für ärmere Länder, die trotz Armut in eine Verbesserung der Gesundheit investiert haben, sind Kuba, China sowie der indische Staat Kerala.
Michael Marmot, Vorsitzender der CSDH, gibt drei wesentliche Empfehlungen für eine Verbesserung der Situation: Erforderlich sei eine Unterstützung für alle Mitglieder einer Gesellschaft – vom Neugeborenen bis hin zu Pensionisten. Investiert werden sollte in den Schulbereich, in gesicherte Arbeitsplätze, in die Schaffung von leistbaren Wohnräumen, in die Gesundheitsvorsorge und in den öffentlichen Verkehr. Ein weiterer Punkt sei der Zugang zu gesunden Lebensmitteln sowie Reglements bei Alkohol und Tabak. Es müsse ein gut finanzierter öffentlicher Sektor geschaffen werden, um Projekte zu finanzieren. Gewährleistet werden müssen die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie ein freier Zugang zu politischen Ämtern. Als dritten Punkt empfiehlt Marmot wesentliche Veränderungen bei der Behandlungen von Problemen. Man müsse sie messbar machen, sie untersuchen und lernen sie zu verstehen.
Vor allem im Bereich der Gesundheitsvorsorge müssten dringende Schritte gesetzt werden, kommt der Bericht zum Schluss. Natürlich stehe es jeder Regierung frei, darüber zu entscheiden, was sie mit der Information mache. Sinnvoll wäre es jedoch, Initiativen auf ihre Wirksamkeit in Bezug auf die Auswirkung der Gesundheit zu beurteilen. Als radikale Maßnahme schlägt die Kommission vor, eine Steuer auf internationale Devisentransaktionen einzuführen und den Erlös einem globalen Entwicklungsfonds zukommen zu lassen.