ALG-II-Bezieher darf in Probezeit kündigenEin Jobcenter darf ALG II nicht reduzieren, wenn dem Bezieher die Arbeit nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen nicht zugemutet werden kann. Sozialgerichts Gießen vom 22.11.2017 (Az. S 22 AS 734/16)Kündigung durch AN während Probezeit kann "wichtiger Grund" im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II sein.
Feststellung: Der Begriff "wichtiger Grund" in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff.
Kurzbegründung; Kündigung in der Probezeit: Minderung des Arbeitslosengelds II? Die Probezeit dient Arbeitnehmern dazu, die neue Tätigkeit kennenzulernen.
Dabei kann es passieren, dass der Job dem Beschäftigten nicht zusagt und er während der Testphase kündigt.
Hat dieser selbstgewählte Rückzug Auswirkungen auf Sozialleistungen?
Kündigt ein AN während der Probezeit wegen Überforderung, kann ihm nicht gleich das Arbeitslosengeld II gekürzt werden.
Ein "wichtiger Grund" für seine Kündigung besteht, wenn er seine Arbeitnehmerrechte wahrnimmt.
Diese Regelung ergibt sich aus einer Entscheidung des Sozialgerichts Gießen (Az.: S 22 AS 734/16.
Fall: Der Mann bezog Arbeitslosengeld II.
Er suchte sich selbst eine Arbeit und nahm diese im Juni 2016 als Mitarbeiter in der Produktion bei einem kunststoffverarbeitenden Betrieb auf. Das Arbeitsverhältnis war auf zwei Jahre befristet.
Er selbst kündigte bereits im Juli 2016.
Er erklärte gegenüber dem Jobcenter, seine Aufgaben hätten viel Konzentration und Schnelligkeit gefordert.
Hierin lägen gerade seine Schwächen.
Außerdem sei sein Chef ein Choleriker gewesen.
Er habe aber angefragt, ob es eine andere Tätigkeit für ihn gäbe.
Als dies verneint wurde, kündigte er.
Das Jobcenter minderte das Arbeitslosengeld II für drei Monate.
Urteil: Die Sanktion sei unzulässig. Das sei dann der Fall, wenn ein wichtiger
Grund für den Betroffenen vorliege.
Dies sei hier der Fall.
Die Arbeit könne ihm nach seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen nicht zugemutet werden.
Die Angaben des Mannes, er sei überfordert, seien plausibel.
In einer solchen Situation müsse dem AN zugestanden werden, während der Probezeit zu kündigen.
Während der Probezeit gebe es das Sonderrecht, das Probearbeitsverhältnis ohne Grund zu kündigen.
Auch entstehe dem Steuerzahler kein Schaden, denn ohne die Tätigkeit wäre der Mann weiter Leistungsbezieher des Jobcenters gewesen.
Hierbei berücksichtigte das Gericht, dass nicht das Jobcenter ihm die Stelle vermittelt hatte, sondern er sich diese selbst gesucht hatte.
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Fundquelle: Auszug – „Neues Deutschland“ Februar 2018