Autismus
Die Anstrengung, normal zu wirken
Greta Thunberg hat es nicht nur geschafft, weltweit Tausende Schüler für den Klimaschutz zu mobilisieren.
Sie hat nebenbei auch der Entwicklungsstörung Autismus neue Aufmerksamkeit verliehen -
und so das Selbstbewusst- sein von Autisten gestärkt.
"Meine ärztliche Diagnose ist eine Hilfe.
Sonst hätte ich wohl einfach so weiter gelebt wie viele andere Menschen". antwortete die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg selbstbewusst einem Reporter des "Spiegel" auf die Frage. ob es kein Hindernis für sie sei mit dem Asperger-Syndrom zu leben.
Das Asperger-Syndrom ist eine Form des Autismus.
Linus Müller aus Berlin findet die 16-jährige Schwedin "cool". Ihr Engagement zeige. worin die Stärken von Asperger-Autisten liegen können: .Autisten denken rational und mögen keine Widersprüche zwischen Reden und Handeln. Wenn so viel über die Ursachen der Klimaproblematik bekannt ist, ist es unlogisch, dass nichts unternommen wird, um sie zu lösen." Auch die Beharrlichkeit, mit der Greta protestiere, sei eine typische Stärke autistischer Menschen, sagt der 37-jährige, der selbst Autist ist.
Seit 2007 betreibt Müller die Website "Autismus-Kultur.
Glücklich leben im Autismus-Spektrum". Gestartet ist er mit dem Ziel, aktuelle Forschungsergebnisse und autistische Erfahrungen zusammenzubringen und einen verständlichen Praxis-Ratgeber zu gestalten.
"Ich wollte Vorurteilen begegnen und endlich den Stärken autistischer Menschen Raum geben, den defizitären Blick auf uns entkräften", sagt er.
Autismus sei eine neurologisch-genetisch bedingte Wesensart, keine Krankheit.
Autistische Menschen hätten "eine andere Wahrnehmungsverarbeitung".
Sie lernen und denken anders, sie haben eine andere Art, sozial zu interagieren und zu kommunizieren, und verhalten sich manchmal so,
dass es nicht-autistische Menschen merkwürdig erscheint." Bei vielen Asperger-Autisten bleibe ihre Wesensart lange unerkannt oder werde erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Das war auch bei Linus Müller so. "Bis ich zehn Jahr alt war, habe ich gar nicht gemerkt, dass ich anders war. Ich war zwar schüchtern und still, aber kein Außenseiter. Seine Eltern hätten sich keine Sorgen gemacht. Nach dem Wechsel auf das Gymnasium ändert sich allerdings etwas.
„Ich habe zu niemanden einen Draht bekommen alle habe sich plötzlich für Dinge interessiert, die mich nicht angesprochen haben: Hits und Pop-Stars, Mode oder die Zeitschrift Bravo. „Das war ich nicht", erzählt Linus Müller. "Ich war anders, aber warum, das konnte ich nicht richtig greifen." Am liebsten sei er alleine im Wald gewesen oder habe sich mit Umweltthemen beschäftigt.
Erst als Müller nach Berlin zog, um Afrikawissenschaften und Genderstudies zu studieren,
begann er, sich mit dem Thema Autismus auseinanderzusetzen.
Eher zufällig stolperte er über die Autobiografien von autistischen Autoren und konnte sich mit ihren Schilderungen identifizieren.
Besorgt darüber, dass er in Berlin keine sozialen Kontakte aufbauen konnte, suchte er eine Selbsthilfegruppe und schließlich einen Spezialisten auf.
Die Diagnose im ärztlichen Befund: F 84.5
- in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD), der Code für das Asperger-Syndrom.
"Es war gut, es auf dem Papier geschrieben zu sehen", erinnert sich Müller.
Aber es bedeutete keinen Wendepunkt für ihn: "Es war einfach eine Bestätigung."
Heute führt er kein außergewöhnliches Leben:
Er ist Vater, lebt in einer festen Beziehung und betreut als selbstständiger Webmaster Internetseiten.
Dennoch ist sein Alltag nicht immer einfach: ,,Alle Interaktionen sind für mich herausfordernd, ich muss mir viel Mühe geben, normal zu wirken. Wie anstrengend das für mich ist, das merkt keiner."
Es schwierig, autistisch zu sein in einer nicht autistischen Welt, sagt Müller.
So sei die klassische Arbeitswelt für ihn einfach hoffnungslos ungeeignet.
Er könne sich nicht fokussieren, wenn es laut sei oder er bei der Arbeit oft unterbrochen werde.
"Das Horne-Office ist für mich eine gute Lösung, und mit der Plattform „Autismus-Kultur“ will ich anderen Autistinnen und Autisten und ihren Familien helfen, glücklich mit dieser Wesensart zu leben."
Fundquelle: Auszug – „ALTMARK-Zeitung“ Mai 2019