Orphan DrugsDer Begriff Orphan-Arzneimittel oder Orphan drug (engl.:
orphan, „die Waise“) wurde 1983 erstmals für Arzneimittel verwendet, die für die Behandlung seltener Krankheiten eingesetzt werden. Rechtlich korrekt spricht man besser entweder von „Orphan Medicinal Product“ oder „Arzneimittel für seltene Leiden“. Diese Medikamente sind wegen des teilweise winzigen Marktes und ihres daher geringen Umsatzes während des gesetzlichen Patentschutzes für die pharmazeutische Industrie nicht interessant (ein Beispiel gesellschaftlichen Marktversagens).
Die USA erließen 1983 den Orphan Drug Act, der die Förderung und Entwicklung derartiger Arzneimittel zum Ziel hat. In Europa wurde von der EU im Januar 2000 die Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden in Kraft gesetzt (siehe unten).
Für welche Seltenen Krankheiten gibt es Arzneimittel?Auf der Seite des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller e.V. findet sich eine Übersicht über die bislang zugelassenen Orphan Drugs:
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Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan Drugs)ZUSAMMENFASSUNG
Da die pharmazeutische Forschung und Entwicklung so kostspielig ist, zeigt die Pharmaindustrie nur wenig Interesse an der Entwicklung von Arzneimitteln für die Behandlung seltener Leiden und anderer, wenig rentabler Arzneimittel („Orphan Drugs", d. h. Arzneimittel-Waisenkinder). Ziel dieser vorliegenden Verordnung ist die Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Ausweisung von Orphan Drugs und von Anreizen für Erforschung, Entwicklung und Inverkehrbringen von Orphan Drugs, insbesondere durch Gewährung eines Alleinvertriebsrechts für die Dauer von zehn Jahren.
Ein Arzneimittel wird als Orphan Drug ausgewiesen, wenn
- es für die Diagnose, Vorbeugung oder Behandlung einer Krankheit bestimmt ist, von der in der Gemeinschaft weniger als fünf von zehntausend Personen betroffen sind, oder
- es zur Behandlung einer schweren oder einer Invalidität verursachenden Krankheit bestimmt ist und es ohne Anreize vermutlich nicht in den Verkehr gebracht wird,
und wenn es für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind von erheblichem Nutzen ist.
Der innerhalb der Europäischen Arzneimittelagentur eingesetzte „Ausschuss für Orphan Drugs" wird beauftragt, innerhalb von 90 Tagen eine Stellungnahme zu den Anträgen auf Ausweisung von Arzneimitteln als Orphan Drugs abzugeben. Die Kommission verabschiedet innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Stellungnahme eine Entscheidung. Die Verordnung sieht vor, dass der Investor Einwände gegen die Stellungnahme des Ausschusses für Orphan Drugs erheben kann. Als Orphan Drugs ausgewiesene Arzneimittel werden in das „Gemeinschaftsregister für Orphan Drugs" eingetragen.
Auf Orphan Drugs wird das „zentralisierte Verfahren" für das Inverkehrbringen angewandt, siehe Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Arzneimittelagentur. Der Investor kann von der Zahlung der Gebühr, die der Europäischen Arzneimittelagentur zu entrichten ist, befreit werden.
Wurde gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 eine Zulassung für ein Orphan Drug erteilt, so gilt für dieses Arzneimittel zehn Jahre lang ein Alleinvertriebsrecht. Jedoch kann dieses Alleinvertriebsrecht auf Antrag eines Mitgliedstaates nach sechs Jahren zurückgezogen werden, wenn dieser Mitgliedstaat nachweisen kann, dass die Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Orphan Drug nicht mehr zutreffen oder der Preis des Arzneimittels zu hoch ist.
Das Alleinvertriebsrecht steht der Zulassung eines weiteren Arzneimittels nicht entgegen, wenn der Inhaber der Zulassung des zuerst als Orphan Drug ausgewiesenen Arzneimittels dem zweiten Antragsteller seine Zustimmung gegeben hat, wenn er das Arzneimittel nicht in ausreichender Menge liefern kann oder wenn das zweite Arzneimittel dem ersten bereits zugelassenen Mittel hinsichtlich der Unbedenklichkeit, Wirksamkeit oder anderer klinischer Aspekte überlegen ist.
Für Orphan Drugs können von der Kommission und den Mitgliedstaaten weitere Anreize geschaffen werden, um die Erforschung und Entwicklung von Orphan Drugs zu fördern und deren Verfügbarkeit zu verbessern und insbesondere Forschungshilfe zu Gunsten kleiner und mittlerer Unternehmen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über die getroffenen Maßnahmen. Die Kommission veröffentlicht regelmäßig ein ausführliches Verzeichnis aller Anreize, die von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geschaffen wurden.
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Änderungen:
05.12.2011 - Linkkontrolle
06.11.2018 - Linkkontrolle