Übertrag aus dem alten Forum. Beitrag von chaosbarthi, März 2007:
Das Kurzdarmsyndrom (KDS)Ein KDS kann u.a. nach operativer Entfernung von Dünndarmabschnitten entstehen. Die Auswirkungen hängen zum einen von der Länge und zum anderen von der Funktion des entfernten Abschnittes ab.
Der Dünndarm verbindet den Magen mit dem Dickdarm. Er wird in drei Abschnitte unterteilt:
1. Duodenum (Zwölffingerdarm): Dieser Abschnitt des Dünndarms liegt direkt nach dem Magen und ist ca. 25-30 cm lang. Hier werden die Verdauungsenzyme der Bauchspeicheldrüse und die Gallensäuren zum Nahrungsbrei hinzu gegeben.
2. Jejunum (Leerdarm): Im zweiten Dünndarm-Abschnitt werden die meisten Nährstoffe aufgenommen und an das Blut weitergegeben. Hierzu zählen Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Wasser.
3. Ileum (Krummdarm): Der letzte Abschnitt ist zusammen mit dem Jejunum ca. 4-5 m lang. Er mündet in das Zökum (Blinddarm), das durch die Ileozökalklappe (Bauhin'sche Klappe) vom Ileum getrennt ist. Auch hier werden Nährstoffe aufgenommen. Zusätzlich werden hier Vitamin B12 und die Gallensäuren, die im Duodenum in den Darm abgegeben wurden, resorbiert. Diese Aufgabe kann kein anderer Darmabschnitt übernehmen!
Nach Dünndarmresektionen wird das Vermögen des Darms, Nährstoffe aus dem Nahrungsbrei aufzunehmen, u.a. hierdurch beeinflusst:
- Ort und Länge der verbliebenen Darmabschnitte
- Verbleiben der Ileozökalklappe (Grenze zwischen Dünn- und Dickdarm)
- Funktionsfähigkeit der verbliebenen Fläche (eingeschränkt z.B. bei M. Crohn)
- Zusätzliche Komplikationen, wie bakterielle Fehlbesiedelung, Medikamente
- Sekundäreffekte einer Malabsorption (Vitamin B12-Mangel)
- Fähigkeit des Restdarms, Aufgaben der entfernten Darmabschnitte zu übernehmen
Mögliche unmittelbare Auswirkungen:Für die Aufnahme von Nährstoffen ist es im allgemeinen nicht so entscheidend welcher Darmabschnitt entfernt wurde, sondern wie viel Dünndarm insgesamt noch vorhanden ist.
Wird mehr als die Hälfte des Dünndarms entfernt, kommt es zur nicht ausreichenden Aufnahme von: Fett, Kohlenhydraten, Eiweiß, Vitaminen (besonders Folsäure), Wasser, Elektrolyten und Spurenelementen (besonders Zink und Kupfer).
Als Folge treten Durchfall (Diarrhö) und Fettausscheidungen im Stuhl (Steatorrhö) auf. Werden die Nährstoffe nicht anderweitig zugeführt, kommt es zu Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen.
Typische Mangelerscheinungen beim KDS sind: - Anämie (Blutarmut)
- Tetanie (Krämpfe)
- Nachtblindheit
- Osteopathie (Knochenschmerzen und erhöhte Knochenbrüchigkeit)
- gestörte Blutgerinnung und erhöhte Blutungsneigung
Zusätzlich kann eine eine Laktoseintoleranz entstehen, da das Enzym zur Spaltung der Laktose (Milchzucker) in der Schleimhaut des Dünndarms gebildet wird.
Wird das Ileum ganz oder teilweise entfernt, kommt es zur verminderten Aufnahme von Vitamin B12 und Gallensäuren.
Vitamin B12-MangelSymptome eines Vitamin B12-Mangels: perniziöse Anämie (Reduktion der Anzahl roter Blutkörperchen, die ungewöhnlich groß werden), Ermüdbarkeit, allgemeine Schwäche, Herzklopfen, blasse Haut und Schleimhäute (z.B. im Mund), Lackzunge, neurologische Störungen, gelegentlich Gelbsucht
Bei einem Vitamin B12-Mangel durch KDS muss das Vitamin B12 parenteral (d.h. durch Injektionen) gegeben werden, da das Vitamin B12 aus Tabletten ebenfalls nicht vom Darm aufgenommen werden kann .
GallensäurenverlustsyndromGallensäuren werden für die Resorption von Fett benötigt. Gallensäuren können wie das Vitamin B12 nur im Ileum aufgenommen werden.
Eine Entfernung oder Einkürzung des Ileums führt zu einem Gallensäurenverlust. Die Gallensäuren können dann nicht oder nur unzureichend vom Darm aufgenommen und "recycelt" von der Leber wieder mit der Galle ausgeschieden werden. Ein übermäßiges Angebot von Gallensäuren im Dickdarm, führt zur dortigen Ansammlung von Wasser und Elektrolyten, was zu Durchfall - der so genannten chologenen Diarrhö - führt. Bis zu einem gewissen Grad kann die Leber einen Aufnahme-Mangel von Gallensäuren durch Mehrproduktion ausgleichen (kompensiertes Gallensäurenverlustsyndrom). Wird dieser Grad überschritten, sinkt die Konzentration der Gallensäuren im Zwölffingerdarm. Als Folge kann Fett nicht mehr ausreichend emulgiert und aufgenommen werden. Es kommt zur Steatorrhö und kann auch eine vermehrte Bildung von Gallensteinen bedingen.
Im Dickdarm übermäßig vorhandene Gallensäuren binden Kalzium, das dort frei vorkommend eigentlich Oxalsäure bindet und deren Aufnahme aus der Nahrung verhindert. Eine Kalzium-Bindung an Gallensäuren, kann zu Nierensteinen (Oxalatsteinen) und Kalziummangel führen. Zur Vorbeugung und Therapie von Oxalatsteinen sollte eine oxalatarme kalziumreiche Diät eingehalten werden.
Die Entstehung eines Kalziummangels wird dadurch begünstigt, dass Nahrungsfett, das durch Dünndarmeinkürzungen und die zu geringe Gallensäurekonzentration im Dünndarm nicht aufgenommen werden konnte, mit Kalzium und Magnesium zu Seifen reagiert und damit die Kalzium- und die Magnesiumaufnahme zusätzlich einschränkt.
Wurde bei der Operation auch die Ileozökalklappe entfernt, kann es zu einer
bakteriellen Fehlbesiedelung des Dünndarms kommen, die die Gallensäuren ebenfalls funktionsunfähig machen.und die Vitamin B12-Aufnahme negativ beeinflussen kann. Zum Nachweis einer bakteriellen Fehlbesiedelung kann ein sog. Glukose-H2-Atemtest durchgeführt werden.
Jejunostomie (künstlicher Darmausgang ab Jejunum)Eine Jejunostomie ist z.B. notwendig, wenn sowohl das Ileum, als auch der Dickdarm entfernt werden müssen. Als Folge kommt es zu umfangreichen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten über das Stoma (besonders kritisch sind die hohen Magnesiumverluste). Bei einer Restlänge des Jejunums von mehr als 1 m ist es meist möglich, diese Verluste (< 2 l/Tag) durch eine erhöhte Trinkleistung auszugleichen. Patienten mit einer Jejunumrestlänge weniger als 1 m (Flüssigkeitsverlust über das Stoma > 3 l/Tag) sind auf eine dauerhafte parenterale Ergänzung angewiesen.
ein Magnesiummangel äußert sich meist durch Müdigkeit, Depression und Muskelschwäche.
Bei einer Jejunumrestlänge < 50 cm tritt zusätzlich häufig ein Kaliummangel auf.
Hyperazidität des MagensWerden mehr als 30% des Dünndarms entfernt, kann es vorübergehend zu einer gesteigerten Produktion von Magensäften und damit zur Übersäuerung des Magens kommen. Dadurch können die von der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildeten Verdauungsenzyme inaktiviert werden. In diesem Fall wird die Gabe von Säureblockern notwendig.
LaktatazidoseWenn der Dickdarm nicht entfernt wurde, kann es in seltenen Fällen zu einer D-Laktatazidose kommen. Dabei kann das D-Laktat kann vom Körper nicht ausreichend abgebaut werden und ruft neurologische Symptome hervor: Sehstörungen, Verwirrtheit, Gangunsicherheit.
Fälschlicherweise werden diese Patienten häufig für alkoholisiert gehalten. Das D-Laktat kann im Blut bestimmt werden. Zur Therapie der Laktatazidose wird Bikarbonat gegeben und auf intravenöse Ernährung oder eine spezielle Diät umgestellt.
Anpassung des RestdarmsIn bestimmtem Umfang (absolute Ausnahme: Vitamin B12, Gallensäuren) kann der verbliebene Restdarm neue Funktionen übernehmen. Dabei wird der Restdarm länger und dicker. Diese Anpassung kann bis zu 12 Monate nach der OP dauern. In dieser Zeit kann auch eine Stuhlgangsveränderung in Menge und Konsistenz beobachtet werden. In der ersten Phase nach der OP (häufig mit Hypersekretion verbunden) wird daher parenteral ernährt. Der orale Kostaufbau ist die Grundvoraussetzung für die Adaption des Darmes! Umfangreiche Eingriffe können jedoch im Einzelfall eine lebenslange parenterale Ernährung notwendig machen.
Therapie des KDSZunächst muss der behandelnde Arzt herausfinden, wie lang die verbliebenen Darmabschnitte sind. Dann folgt eine Erfassung der Stuhlfrequenz, des Stuhlgewichtes und die Feststellung, ob Fett mit dem Stuhlgang ausgeschieden wird.
Weiterhin müssen Blut- und Urinuntersuchungen erfolgen, um Mangelerscheinungen aufzuspüren. Folgende Laborwerte können dazu dienen, eine Unterversorgung mit Nährstoffen aufzudecken:
- Folsäure
- Eisen
- Kalzium
- Phosphat
- Kupfer
- Magnesiumausscheidung im Urin nach intravenöser Belastung
Bei Fettausscheidungen zusätzlich:
- Vitamin A,
- Vitamin D,
- Vitamin E,
- Vitamin K und
- ß-Carotin im Serum (als Parameter für die Fettresorption)
Häufig entstehen Mangelerscheinungen erst nach Jahren. Deshalb sollten Vitamin B12-, Kalzium- und Vitamin D regelmäßig überwacht werden.
Oft werden Medikamente gegeben, die den Transport der Nahrung durch den Darm verlangsamen. Ziel hierbei ist eine Verbesserung der Nährstoff-Aufnahmeleistung. Mitunter kann auch die Gabe von Pankreasenzymen zur Verbesserung der Verdauungsleistung sinnvoll sein.
Mitunter können auch weitere chirurgische Maßnahmen die Verdauungsleistung verbessern.

LG chaosbarthi